Henning Schröder

Deutsch-Referat: Werkimmanente Interpretation

Aufbau:

  1. Vorwort
  2. Was ist das werkimmanente Verfahren?
  3. Methoden der werkimmanenten Interpretation
    1. Grundsätzliches
    2. Textanalyse
    3. Bedeutungsnuancen / Mehrdeutigkeiten
    4. Aufbauprinzipien
  4. Deutungsperspektive
  5. Die unterschiedlichen Textarten:
    1. lyrische Texte
    2. epische Texte
    3. dramatische Texte
 

1. Vorwort

Wie ihr sicher schon bemerkt habt, halte ich heute ein Referat über das überaus spannende Thema der werkimmanenten Interpretation. Nach längerer Suche fand ich zwar entsprechende Lektüre, aber nichts, was mich vom Drehstuhl reißte. Leider gibt es keine tollen Tricks, womit das Interpretieren zum Kinderspiel wird. Die Methoden zur Interpretation, die ich vorstellen werde, werdet ihr bestimmt schon kennen - zumindest ansatzweise. Oft bedenkt man allerdings viele Punkte nicht. Ein systematisches Vorgehen, wie ich es vorstellen werden, kann das aber verhindern.

2. Was ist das werkimmanente Verfahren?

Werkimmanent zu interpretieren bedeutet, sich voll auf eine möglichst genaue Analyse der Elemente des Textes und ihres inneren Zusammenhangs zu konzentrieren, ohne dabei auf werkübergreifende Methoden zurückzugreifen. Es wird also weder der Hintergrund des Autors, noch der geschichtliche Zusammenhang oder irgendein anderen Hintergrundwissens in die Interpretation eingebracht.

Folglich eignet sich das werkimmanente Verfahren besonders für unbekannte Texte.

In der Nachkriegszeit war das werkimmanente Verfahren in Deutschland weit verbreitet und war Reaktion auf die ideologische Literaturbetrachtung des Dritten Reiches.

Gegner dieser Methode kritisierten sie später aber als unhistorisch und steril.

3. Methoden zur werkimmanenten Interpretation

a) Grundsätzliches

Zuerst möchte ich ein paar Grundsätze für Interpretationen nennen. Richtige Deutungen erhält man nur, wenn man nur das aus einen Text herausliest, was direkt oder indirekt im Text steht. Schließlich muß ja jede Aussage der Interpretation am Text belegt werden. Interpretieren heißt nämlich, den Sinn eines Textes durch verstehende Auslegung zu erfassen. Hierbei ist es unumgänglich, daß die Leser-Perspektive an der Deutung mitwirkt. Es ist jedoch durch textnahes Arbeiten die größtmögliche Erfassung der Autor-Perspektive anzustreben.

b) Textanalyse

Die Grundlage einer jeden Interpretation ist die ausführliche Textanalyse. Hier versucht man die Antworten auf die beiden folgenden Fragen zu finden:
  • Was steht da? (also der Inhalt)
  • Wie steht es da? (also der Aufbau und die Gestaltung)
1. Zugang zum Text
  1. Erkennen des vorherrschenden Grundmodells (Beantworten der Ausgangslage, mit was für einem Text man es zu tun hat):
    • Um was für einen literarischen Text handelt es sich (z.B. Fabel, Sonett, Ballade, Hörspiel, Einakter o.ä.)
    • In welcher Form liegt der Text vor (z.B. vollständig, gekürzt, bearbeitet, übersetzt o.ä.)
  2. Aufbereiten des Textes:
  3. Vertiefendes Lesen

  4. (Mehrmaliges Lesen zum Kennenlernen)
  5. Differenzierendes Unterstreichen

  6. (Markieren wichtiger Stellen)
  7. Ergänzendes Kommentieren

  8. (Notieren persönlicher oder sachlicher Randbemerkungen)
  9. Lösen von Verständnisproblemen:
  10. Sprachliche Schwierigkeiten

  11. (Nachschlagen unverständlicher Wörter)
  12. Sachliche Fragen

  13. (Klären inhaltlicher Zusammenhänge)
  14. Systematische Textuntersuchung:
  15. Festhalten des Inhalts:
  16. Zentrales Thema
  17. Vorläufige Inhaltsangabe
  18. Aufdecken der Struktur:
  19. Äußerer Aufbau

  20. (Feststellen der gedanklichen Einheiten)
  21. Innerer Aufbau

  22. (Graphisches Veranschaulichen der Gedankenfolge)
  23. Durchschauen der sprachlichen Gestaltung:
  24. Semantischer Befund

  25. (Untersuchen der Wortwahl)
    • Welche Wörter werden benutzt?

    • (Gibt es eine bevorzugte Wortart? Welche Begriffe erfaßt der Wortinhalt? Fallen Leitbegriffe auf?)
    • Wie werden die Wörter gebraucht?

    • (Sind sie wörtlich zu verstehen? Werden sie im übertragenden Sinne eingesetzt? Verhüllen sie das eigentlich gemeinte?)
    • Wie sind die Sätze strukturiert?

    • (In welcher Weise sind die Wörter angeordnet? Welche Satzarten kommen vor? Wir werden die Sätze miteinander verknüpft?)
  26. Phonetischer Befund

  27. (Untersuchen der lautlichen Begebenheiten)
    • Welchen Beitrag leistet das Klangbild

    • (Welche Wirkung geht von der Klangfarbe aus? Welche Funktion haben Wortspiele? Welche Rolle haben Wiederholungen?)
    • Wie werden Akzente gesetzt?

    • (Welche Sprechbewegung entsteht durch den Rhythmus? Welche Betonung bewirkt der Takt? Welche Einschnitte erzeugen Pausen?)
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich folgender Fragestellung bedienen kann:
  • Welche sprachlichen Gestaltungsmittel werden eingesetzt?
  • Welche Funktion haben sie?
  • Welche Folgen ergeben sich für den Inhalt?
Man kann sich an der Hilfsfrage "Was fällt auf?" leiten lassen.

c) Bedeutungsnuancen / Mehrdeutigkeiten

Will man die Bedeutungsnuancen einzelner Wörter noch klären, so bieten sich drei Methoden an.

Tip 1: Ersatzprobe (Ähnliches Wort finden und stattdessen einsetzen, wobei nach Sinnverschiebungen gesucht wird).

Tip 2: Steichung (Wort weglassen, wobei untersucht wird, ob sich die Bedeutung ändert)

Tip 3: Assoziation (spontan passende Wörter einfallen lassen, um Bedeutung zu erschließen)

Treten zudem noch Mehrdeutigkeiten auf, muß man sich den Kontext genau angucken, kann aber auch mehrere passende Deutungen in der Interpretation anbieten.

d) Aufbauprinzipien

Wenn man nun mit der eigentlichen Interpretation anfangen will, so muß man sich für ein Aufbauprinzip entscheiden. Zur systematischen Gliederung bieten sich drei Alternativen an:

Aufbauprinzip 1: Man folgt abschnittsweise den in der Textanalyse festgelegten Gedankeneinheiten und hält sich chronologisch an die Abfolge des Textes. Dadurch behält man stets engen Kontakt zum Text und kann solide an ihm entlangarbeiten. Jedoch muß man darauf achten, nicht vorzugreifen, Wiederholungen zu vermeiden und den Überblick zu bewahren.

Aufbauprinzip 2: Man wählt wichtige Aspekte der Textanalyse auf und ordnet sie als Gliederungspunkte einander zu. Hierdurch hat man immer das Textganze im Auge und kann souverän nach Textpunkten vorgehen. Allerdings sollte man aufpassen, nichts zu überinterpretieren. Bei diesem Prinzip darf man auch einmal Textbefunde übergehen.

Aufbauprinzip 3: Man betrachtet den Text als Antwort auf unausgesprochene Fragen, die man durch Rückschlüsse vom Text aus findet, und macht diese Fragen zu Gliederungspunkten der Gliederung. Damit gewinnt man eine neue Deutungsperspektive und kann bereits gezielt die Frage nach der Gesamtaussage ins Blickfeld rücken. Wenn man sich für dieses anspruchsvolle Prinzip entscheidet, muß man kreativ denken, aber man darf man keine wesentlichen Fragen dabei vergessen. Übrigens kann es auch deutenswert sein, welche Fragen nicht beantwortet werden.

e) Deutungsperspektive

Was will der Autor eigentlich sagen? Um dieser Frage ein Stückchen näher zu kommen, sollte man sich die vom Autor gewählte Darstellungsperspektive genauer angucken. Aus ihr geht hervor, ob der Autor z.B. dem Geschehen distanziert gegenübersteht. Ein Perspektivenwechsel kann z.B. eine Verständnishilfe darstellen. Die Intention des Autors läßt sich auch oft ableiten.

4. Die unterschiedlichen Textarten:

a) lyrische Texte

Um es kurz zu machen. Bei lyrischen Texten muß die Untersuchung ausgeweitet werden auf bevorzugte Stilmittel, wie:
  • Rhythmus
  • Metrum
  • Vers, Strophe
  • Reim
  • und Bild
Zu sagen wäre noch, daß lyrische Texte eine geringe Distanz zwischen Text und Autor und damit zwischen Autor und Leser aufweisen. Oft bringen die Autoren ihre Gefühle, Vorstellungen und Gedanken ein. Während ältere Gedichte den Anspruch hatten, für die Ewigkeit geschrieben zu sein, sind neuere Gedichte eher eine nüchterne Wiedergabe authentischer Bewußtseinprozesse.

b) epische Texte

Durch einen Erzähler (auktoriale Erzählsituation) entsteht bei epischen Texten eine künstliche Zwischeninstanz. Dadurch entsteht eine erheblich größere Distanz zwischen Autor und Leser.

c) dramatische Texte

Die Interpretation eines Dramas wird dadurch erschwert, daß ein Drama für die Bühne geschrieben wurde. Das einfache Lesen bringt noch nicht die Stimmung der einzelnen Charaktere rüber, welche die Handlung vorantreiben. Die Interpretation des klassischen Dramas wird dadurch erleichtert, daß feste Aufbau-Einheiten festgelegt sind:
  1. Einleitung (Exposition)
  2. Steigerung der Verwicklung
  3. Höhepunkt
  4. Wende
  5. Schluß (Lösung oder Katastrophe)
 



Quellen:
Texte, Themen und Strukturen - Grundband Deutsch für die Oberstufe (Cornelsen-Schwamm Verlag)
Texte interpretieren - Abiturhilfe Deutsch (Mentor)